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JOSEF HOFER

ARNULF RAINER

über Josef Hofer

»Für mich ist er der auffälligste Künstler unter den Outsidern im deutschsprachigen Raum«

 

Herr Rainer, »Outsider« klingt im ersten Moment nicht nach Kunst, sondern eher diskriminierend. Erklären Sie uns den Begriff?

Diskriminierend ist es sicher nicht. Outsider sind Leute, die nicht in der Gesellschaft integriert sind, die Behinderungen haben – körperlich oder geistig, aber aus sich heraus eine Leidenschaft zur bildnerischen Arbeit entwickelt haben. Die Franzosen sagen Art Brut dazu, das meint dasselbe.

 

Seit wann verfolgen Sie Outsider-Kunst?

Ich sammele seit Ende der 60er-Jahre, bin früher oft übers Land gefahren und habe in Krankenhäusern oder Sozialeinrichtungen nach Künstlern gesucht. Inzwischen habe ich hunderte von Bildern und mehrere Ausstellungen kuratiert. Manche Werke hängen sogar in meiner Wohnung, weil sie mich so beeindrucken.

 

Wie sind Sie auf Josef Hofer gestoßen?

Durch eine Ausstellung in Österreich, die ich betreuen sollte. Auf der Suche nach Outsidern bin ich auch nach Ried in das Wohnheim gekommen, in dem er lebt. Dort habe ich sofort sein Talent erkannt. Für mich ist er der auffälligste Künstler unter den Outsidern im deutschsprachigen Raum. Das bekannte Art-Brut-Museum in Lausanne stellt ihn aus, und es gibt keine Outsider-Ausstellung mehr, bei der er nicht dabei ist.

 

Was zeichnet Hofers Werk aus?

Die Intensität der Gestaltung, die Dichte und das Farbniveau. Leider kann man Visuelles so schwer in Worte fassen. Man muss seine Bilder sehen. Er hat einen sehr bestimmten Strich, eine interessante Kompositionsart mit Umrahmungen. Es gibt nicht viele Outsider, die solch eine richtige Bildarchitektur aufweisen.

 

Hofer hat mehrere Schaffensperioden hinter sich – mal malte er überwiegend technische Geräte, mal erotische Portraits, mal Kleidung. Ist es üblich, dass Outsider sich künstlerisch so verändern?

Eher nicht, wenige Outsider machen größere stilistische Sprünge. Ihre Grundeinstellung ist eine Fixierung auf etwas Spezielles – meist etwas sehr Persönliches, auf ihre Lebenswelt. Ich fasse es auch bei Hofer so auf, dass die Portraits Selbstdarstellungen sind.

 

Kennen Sie Outsider, die ihm ebenbürtig sind?

Es gab mal einen zweiten Fall: den Österreicher Johann Hauser. Er ist allerdings inzwischen verstorben. Hauser ist heute sehr gesucht – er erzielt sogar höhere Preise als ich – bis zu 50000 Euro pro Bild.

 

Dennoch findet Outsider-Kunst oft außerhalb des öffentlichen Interesses statt – wieso?

Das Problem ist, dass viele Sachen relativ billig sind. Aufgrund der hohen Kosten in den Galerien ist es daher kaum machbar, interessante Ausstelllungen zu machen.

 

War das der Grund, einen Outsider für den ZEITSICHT-Kunstpreis vorzuschlagen?

Das war ein Grund, und ich hoffe, dass die Auszeichnung Interesse wecken wird und Hofer mehr zur Kenntnis genommen wird. Ich hatte erst gefürchtet, dass man meine Wahl als Gag versteht, aber sie ist mir sehr ernsthaft - denn was er macht, ist einfach herausragend. Das war der Hauptgrund.

 

Inspirieren Outsider-Werke und gerade Hofers Schaffen Sie als Künstler?

Das kann man selbst schwer feststellen – eventuell schon. Ich habe ja zum Beispiel mal ein Bild von Hofer übermalt.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Outsider-Kunst?

Zwiespältig – die Blütezeit war vor 1950. Ich stelle immer wieder fest, dass die besten Sachen von Künstlern stammen, die nicht mehr leben, was medizinische Gründe hat: Früher gab’s viele Spezialmedikamente für Menschen mit geistiger Behinderung noch nicht. Sie verbessern heute zwar ihre Lebensqualität, reduzieren aber leider ihre Kreativität. Das gleiche gilt für Maltherapien in vielen Institutionen: Was dabei rauskommt, schaut merkwürdigerweise oft sehr ähnlich aus, wegen des Einflusses der Therapeuten. Da herrscht eine gewisse Gleichmacherei – jeder ist Patient, jeder wird behandelt wie der andere. Medizinisch mag das sinnvoll sein, aber künstlerisch ist es verheerend, weil Talente sich nicht ausleben können. Zudem werden die Sachen leider auch oft weggeschmissen oder nicht beachtet. Den meisten Leuten fehlt der Blick für diese Richtung, weil sie sie gar nicht mit Kunst assoziieren. Daher glaube ich nicht an eine große Zukunft – zumindest nicht in unseren Breiten.

Anderswo, wo die medizinische Versorgung weniger gut ist, wird es sicher zu einer Blüte kommen.

 

Reden wir zum Schluss über Kunstpreise wie ZEITSICHT: Welche Bedeutung haben sie für die Bildende Kunst?

Für aufstrebende Talente sind sie eine hervorragende Gelegenheit, Aufmerksamkeit zu erhalten. Wie weit sie das nutzen, hängt von ihnen selbst ab – es ist keine Garantie für eine große Karriere, aber ein guter Einstieg. Viele große Künstler haben mit dieser Art von Preisen angefangen.

 

Wie war es bei Ihnen?

Sehr ähnlich, auch wenn es in meiner Jugend selten Gelddotierungen gab: Meinen ersten Preis nach dem Krieg habe ich bei einer Ausstellung in einer Studentenvereinigung erhalten – gesponsert von einer Kammgarnfabrik: eine Bahn Stoff für einen dunklen Anzug, den ich mir selbst schneidern lassen konnte.

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