ELLEN GRONEMEYER

DANIEL RICHTER

über Ellen Gronemeyer

Gespräch mit Daniel Richter aus Anlass der zeitsicht-Preisverleihung an Ellen Gronemeyer

 

Herr Richter, üblicherweise werden Sie ja zu Ihrer eigenen Bildern befragt. Nun fragen wir Sie als Kunstkenner: Was gefällt Ihnen an Ellen Gronemeyers Werken, dass Sie sich für sie als ZEITSICHT-Preisträgerin 2009 entschieden haben?

Ich habe sie ein Jahr lang in der Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg unterrichtet, und da ist sie mir sehr schnell aufgefallen. Das ist allerdings sicher schon fünf, sechs Jahre her. Danach habe ich mehrere Ausstellungen von ihr gesehen und fand das, wie soll ich sagen – ich fand das einfach immer gut. Sie hat eine sehr eigenständige Position in der Kunst.

 

Woran macht man in der Malerei fest, ob man jemanden „gut“ findet?

Das ist gar kein langer, tiefgründiger Prozess, sondern verläuft eher unbewusst, so wie im Restaurant: Ich gehe essen und stelle fest, es schmeckt mir oder es schmeckt mir nicht. Ellen Gronemeyer gehört in der Malerei eindeutig zu den auffallend interessanten Positionen. Sie ist sehr eigenständig, sehr ernsthaft und trotzdem erheiternd.

 

Was beeindruckt Sie an ihren Bildern?

Beindrucken ist immer so ein Wort. Es ist einfach sehr gut gedachte, ehrlich empfundene, intelligente Malerei, die auch eine gewissen Sprödigkeit hat, eine gewisse Widerständigkeit gegen das, was man wohl den Zeitgeist nennt. Ihre Bilder sind auch nicht einfach übersetzbar in eine Arbeitsthese oder eine lockere Formulierung.

Was man auch an den sperrigen Titeln von Gronemeyers Werken ablesen kann.

Genau, das gefällt mir, man merkt: Das sind Bilder, über die jemand nachgedacht hat. Ein Denken in Bildern.

 

Es sind oft sehr dunkle, fast schon apokalyptisch düster anmutende Werke, die nur auf den ersten Blick freundlich wirken. Gefällt Ihnen dieser Stil?

Das stellt ja keinen Stil dar, das ist eine Behauptung über die Welt und die Kunstwelt – eine sehr berechtigte Behauptung: Unsere Welt sieht auf den ersten Blick auch ganz gut aus, auf den zweiten dann meist doch nicht mehr so gut.

 

Reden wir über Ihre Anfänge: Wenn man sich Bilder von Ihnen und von Ellen Gronemeyer nebeneinander anschaut, findet man wenig Parallelen.

Ich wüsste auch keine.

 

Auch nicht die abstrakten Titel, die düsteren Farben?

Aber das sind rein formale Merkmale.

 

Gibt es überhaupt etwas, was Sie beide verbindet?

Ja, etwas sehr wichtiges: die Ernsthaftigkeit beim Malen.

 

Zählen Sie sich selbst mit Ihren 46 Jahren noch zu den jungen Künstlern. Oder gehört Daniel Richter zum Establishment?

»Junger Künstler« – das wäre wahrscheinlich etwas kokett. Allerdings: In der Kunst ist man als älterer Mensch jünger als in allen anderen Bereichen der Gesellschaft – vergleichen Sie es mal mit Fußballern oder Schauspielern. Nur als Künstler zählt man in den 40ern noch nicht zu den Alten. Das liegt wohl im Wesen der Kunst begründet, die langsamer funktioniert und mehr Zeit braucht, um beim Betrachter anzukommen und Aufmerksamkeit zu erhalten. In der Politik ist es vielleicht noch ähnlich, aber ansonsten wüsste ich nichts Vergleichbares.

 

Hängt Kunst vom Alter ab?

Glaube ich nicht. Alter ist kein Qualitätsmerkmal.

 

Wie sehen Sie die Chancen für Nachwuchskünstler in Deutschland? Bei den Hausbesetzungen im Hamburger Gängeviertel in diesem Sommer, die Sie ja unterstützt haben, haben Sie mehr Raum für junge Künstler zum Experimentieren gefordert. Fehlt dieser Raum in Deutschland?

Sagen wir es so: Ökonomische und künstlerische Interessen gehen nicht zwangsläufig Hand in Hand. Das ist an ganz vielen Orten zu sehen: Selbst in einer Stadt wie Berlin, wo immer viel Freiraum möglich gewesen ist, setzt eine Tendenz ein, dass Eigentümer- und städtischen Interessen immer öfter konträr sind zu denen von Kunst. Man muss sich vergegenwärtigen, dass Kunst mehr ist, als nur Produkte anzufertigen. Es geht darum, Ideen zu entwickeln, sich Freiraum zu schaffen und Bereiche zu haben, in denen man arbeiten kann, ohne immer nur an die Verwertung zu denken. Und da sieht es gar nicht mehr so gut aus in Deutschland – ganz anders, als es immer behauptet wird.

 

Würden Sie jungen Menschen heute noch raten, Künstler zu werden?

Ich würde überhaupt niemandem raten, Künstler werden. Wenn jemand Künstler werden will, wird er das schon werden. Wenn er sich beraten lassen muss, soll er es sein lassen.

 

Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund einen Kunstpreis wie ZEITSICHT?

Es ist sehr wichtig für junge Künstler, dass es solche Preise gibt. Jede Produktion von Bedeutung ist gut, egal ob regional erfolgt oder überregional. Ich habe meinen ersten Preis vor gut zehn Jahren bekommen und erinnere mich heute noch daran: den Otto-Dix-Preis der Stadt Gera im Jahr 1998 – wie er dotiert war, weiß ich gar nicht mehr, aber er hat mir Beachtung gebracht.

 

Wenn Sie auf diese letzten zehn Jahre zurückblicken, was hat sich in der Kunstwelt verändert, gerade in Ihrem Metier, der Malerei?

Die Aufmerksamkeit für Kunst ist enorm gestiegen. Und dabei hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Malerei eine besonders bedeutende Rolle spielen würde – was gar nicht stimmt. Trotz des Buheis, das um die Malerei gemacht worden ist, ist ja relativ wenig Interessantes gemalt worden. Wenn man sich aktuelle Ausstellungen anguckt, sieht man, dass sich die meisten mit Videoinstallationen, Skulpturen und so weiter beschäftigen. Die Bedeutung der Malerei in der öffentlichen Wahrnehmung und den Medien ist übertrieben im Vergleich zu ihrer wahren Bedeutung in der Kunstwelt.

 

Das von einem Maler zu hören, erscheint ungewöhnlich.

Wieso sollte man das nicht ansprechen? Dennoch bleibt die Malerei ja mein Ein und Alles, auch wenn ich mich ja ab und zu anderen Formen widme.

 

Mit welcher Motivation malen Sie heute eigentlich noch?

Das Malen ist das, was mich am meisten ausmacht, was ich bin. Aber das heißt ja nicht, dass ich immer mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen im Atelier stehe. Kunst ist eine ernsthafte Betätigung, eben keine Kreativität, kein Workshop zur Selbstfindung.

 

Keine Kreativität?

Kreativität ist ein Begriff für Werber und Filmer. Das ist ein Begriff für Leute, die Suppentassen designen, die sich Werbeslogans für Produkte ausdenken – aber nichts für Künstler.

 

Wie würden sie den Prozess denn nennen, wenn Sie etwas auf die Leinwand bannen?

Kunst.

 

Wie viele Bilder malen Sie im Jahr?

Keine Ahnung – ich male, soviel ich kann.

 

Mit Großformaten sind Sie ja bekannt geworden und erst später auch auf kleinere Bilder umgeschwenkt. Auch Ellen Gronemeyer malt vor allem kleine Formate. Können Sie uns die Unterschiede erklären?

Kleinere Bilder erfordern eine andere Form von Konzentration und sehender Intimität. Das große Format ist eher auf Überwältigung angelegt, das kleine, salonfähige eher auf Überprüfbarkeit. Das können Sie vergleichen mit dem Unterschied zwischen einem Roman und einer Kurzgeschichte.

 

Welche Form ist komplizierter?

Je größer das Bild, desto größer erscheint oft der Anspruch, an dem man sich beweisen muss. Allerdings: Einfach 500 Seiten zu schreiben, um einen Roman voll zu kriegen, ist auch immer eine Leistung. Da ist eine pointierte Kurzgeschichte künstlerisch sicher wertvoller.

 

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