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Nès Joëssel

Daniel Knorr

Presse

Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 29.11.2017 zum Kunstpreis von Rüdiger Heinze

 

»Ihre Arbeit muss gesehen werden!«

 

In diesem Jahr hat der Documenta-Künstler Daniel Knorr den Preisträger ausgewählt: eine ehemalige französische Schauspielerin. Ihr Name: Nès Joëssel. Eine Begegnung

 

Neben dem »Parthenon der Bücher« von Marta Minujín setzte auch er bei der diesjährigen Documenta von Kassel ein weithin sichtbares Zeichen: Daniel Knorr, der aus dem Zwehrenturm am Friedrichsplatz weißen Rauch aufsteigen ließ. Betrachter werteten dies als ein Signal des »Habemus documentam«; Daniel Knorr selbst betrachtete sein flüchtiges Werk »Espiration Movement« in erster Linie als eine Aufforderung »auszuatmen«. So, wie (beispielsweise) Europa seine (ehemaligen) Kolonien »eingeatmet« habe, so habe die Menschheit insgesamt die Welt eingeatmet, eingenommen. Jetzt aber, zu einem Zeitpunkt, da es rapide bergab gehe, sei es an der Zeit, auszuatmen, zurückzugeben. So des Künstlers Erklärung gegenüber unserer Zeitung nach Ende der Documenta.

 

Auch für den griechischen Startplatz Athen der internationalen Kunstschau 2017 hatte Knorr, 1968 mit deutschen Wurzeln in Bukarest geboren, ein Kunstwerk entwickelt: Fundstücke von den Straßen der Stadt wurden mit hohem Druck zusammengepresst und in Bücher eingelassen, die von Documenta-Besuchern erworben werden konnten.

 

Seine Aufgabe: Einen Preisträger vorzuschlagen

 

Ein Augsburger war Gast, Betrachter, letztlich Bewunderer der Athener Aktion: Eberhard Hauser. Und weil er für seinen alle zwei Jahre zu vergebenden Augsburger Kunstpreis »Zeitsicht« wieder einen bekannten Künstler mit Preisträger-Vorschlagsrecht suchte, und weil er mit Knorr mehr oder weniger zufällig ins Gespräch kam, hat nun auch der „Zeitsicht“-Kunstpreis 2017 einen Träger, genauer eine Trägerin. Wohlgemerkt: Als bereits arrivierter Künstler war Knorrs Aufgabe lediglich, einen Kollegen oder eine Kollegin vorzuschlagen, von dessen/deren Arbeit er so überzeugt ist, dass er diese ausgezeichnet sehen will – damit eine breitere Auseinandersetzung stattfinden möge. So, wie zuletzt auch Neo Rauch, Rebecca Horn, Marina Abramovic und Katharina Sieverding Preisträger ausgesucht haben.

 

Daniel Knorr nun entschied sich für Nès Joëssel, eine ehemalige französische Schauspielerin, die er als Bildende Künstlerin in Berlin kennengelernt hatte. Knorr: »Ihre Arbeit muss gesehen werden!« Und so wird Joëssel, 1969 in Rennes/Bretagne geboren, am Samstag im Höhmannhaus als »Zeitsicht«-Preisträgerin 2017 geehrt – nachdem dort vor zwei Jahren das Grandhotel Cosmopolis auf Vorschlag von Katharina Sieverding ausgezeichnet worden war.

 

Ihre Reaktion: höchste Bescheidenheit

 

Fragt man Nès Joëssel selbst, warum wohl sie von Knorr so dringlich als zu beachtende Künstlerin auserwählt worden war, ist die Reaktion höchste Bescheidenheit: »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Idee. Ich habe meine Sachen gezeigt, wir haben miteinander gesprochen. Er sagte, sie seien gut und schön.« In diesem Moment aber funkt Daniel Knorr dazwischen: »Sie kann nicht antworten, weil sie sich nicht vergleichen kann. Sie steckt im System nicht drin. Sie hat keinen Abstand zu ihrer Arbeit, die so wahr und so sauber ist.«

Da stellt sich nahezu automatisch eine weitere Frage an Joëssel: »Haben Sie künstlerische Obsessionen?« Und sie antwortet lächelnd: »Viele. Zum Beispiel Schwarz und Quadrat!« Womit sie ziemlich direkt auf Kunst-Pioniere des 20. Jahrhunderts anspielt.

 

Rein materialtechnisch betrachtet, schafft Joëssel (abstrakte) Siebdrucke, die sie benäht und bestickt und so in einen Bildkörper verwandelt. Will man aber wissen, welche künstlerischen Fragen sie antreiben, erklärt sie so leise wie eindringlich mit Verweis auf die von ihr erlernte darstellende Kunst, speziell der Komödie: »Wo ist der rechte Moment, in dem man eine Geste anhalten sollte, um sie im Raum stehen zu lassen? Und wo wird durch den Bruch mit der Ernsthaftigkeit ein Überraschungsmoment kreiert?«

 

Mit der »Zeitsicht«-Preisverleihung am Samstag um 14 Uhr wird im Höhmannhaus (Maximilianstraße) zu besichtigen sein, was Daniel Knorr derart begeistert, dass er es so dringlich ans Herz legt. Der Documenta-Künstler wird zwar selbst nicht anwesend sein, aber über Video dennoch zur Preisverleihung und zum Vernissagen-Publikum sprechen.

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